6.August Montagmorgen, 60km vor Osch an einem Flüßchen
Grenztage sind die spannensten, sagte mal jemand. In der Tat ist es auch diesesmal spannend den sofortigen Unterschied von Tadschikistan zu Kirgistan zu spüren, und es ist mehr als nur ein Gefühl. Zunächst einmal die Fahrt über den Kyzyl-Art-Pass, noch einmal 4280m hoch,(der Tschyrtschyk-Pass, den wir gerade überfahren haben ist nur noch 2400m hoch). Die Passstrasse ist wieder von schlechtester Sorte, der Himmel noch immer wolkenlos, die Berge noch immer imposant und farbig, ein Fluß in kupfernem Grün neben uns , dann ein anderer in Blut-bzw Eisenrot, und dann nach einer der nächsten Kehren, wird die Landschaft grün, weiße „Pilzköpfe“ tauchen auf, natürlich Jurten, große Tierherden - wir sind in Kirgistan angekommen. Die Kinder sehen kräftig und gesund aus, übermütig planschen sie in Flüssen, bestürmen Touristen und strecken neugierig Hände und Kopf in die Autos, betteln hemmungslos, aber nicht ernsthaft - da keine Notwendigkeit besteht. Sie haben Ferien und geniessen das wilde Leben in Jurte und Bauwagen mit Eltern oder Verwandten, die allerdings viel Arbeit mit den Tieren und der Milchverarbeitung haben. Die Frauen sind mit Waschen beschäftig und überall leuchten bunte Wäschestücke auf Leinen oder Büschen ausgebreitet. Der erste größere Ort ist Sary Tasch, hier reihen sich die Magazine aneinander und bieten den Radfahrern den nötigen Reiseproviant für die nächsten harten Kilometer auf den Pamirhighway - ich glaube sie wissen nicht, was sie sich da antun. Wir treffen drei Belgier, die diese Strecke gerade hinter sich haben, einer meint „es war die Hölle“. Ich kann mit einem Koreanischen Radfahrer die SimCard tauschen und habe so erst einmal wieder etwas Netzstärke für WhatsApp - zum Herunterladen der Fotos reicht es immer noch nicht, das können wir dann hoffentlich in Osch erledigen.
Wir versuchen „herunter zu kommen“ ( Der Zustand der Nase, verstopft, blutig, verkrustet will sich nicht ändern, auch der Kopf immer noch etwas „katrig“, ohne Alkohol )- auf 2000m Höhe am Fluß gelingt uns ein fauler Sonntag mit Schreiben, Lesen, Kochen - leider gehen die Wasservorräte zur Neige und wir fahren noch ins nächste Städtchen Gültschö. Hier sind wir überwältigt von der Fülle an frischem Obst und Gemüse - warum kann man das nicht auch den Tadschiken hinter dem Berg zukommen lassen? Gut eingedeckt mit allem, fahren wir über den Pass zum nächsten romantischen Schlafplatz am Fluß, die Tiere werden gerade zu ihren Nachtplätzen getrieben, dann ist Ruhe - herrlich! Und auch heute wieder Sonne satt, in den Morgenstunden ist die Wärme angenehm. Oben auf der Hauptstrasse nach Osch ungewohnt lebhafter Verkehr - wieviel Touristen wohl darunter sind, die den Weg zum Pamirhighway vor sich haben? Gestern trafen wir schon zwei Paare aus Chemnitz und Dresden. Pferde kommen den Steilhang heruntergepest, ein Junge auf einem Esel hütet sportlich die Schafe, das Bächlein pätschert munter, Wasser genug zum Autowaschen, gegen Spätnachmittag erst machen wir uns auf den Weg nach Osch.
Osch ist die zweitgrößte Stadt Kirgistans. Wir wählen das Hostel Sunny, da es dort Waschmaschine und Swimmingpool geben soll. Wir staunen nicht schlecht, der gesamte Stellplatz ist mit 12 niederländischen Womos und einem schweizer Riesenwomo besetzt - wir haben noch Platz genau in der Mitte. Es wird ein lustiger Abend mit den Schweizern im Hotelrestaurant - endlich leckere Forelle und auch der Cognac ist sehr lecker.
7.8. Das Baden im Swimmingpool ist wie Eintauchen in Eiswasser, aber erfrischend. Als wir zurückkommen sind die Niederländer fort und stattdessen steht ein rotes „Rollendes Hotel“ von Rotel Tours auf dem Platz. Das gibt ein paar nette Gespräche, sogar Leute aus Telgte sind dabei. Auch heute sind wir noch zu träge für Besichtigungen, es reicht gerade zu einem Einkaufsbummel und nochmaligem Restaurantbesuch - wieder in Begleitung der Schweizer, wieder lecker und lustig, auch ernsthaft.
8.8. Lesemorgen, Autobasteleien und endlich doch ein wenig Stadtbesichtigung - das Glückshaus (Standesamt), die dresitöckige Jurte. Jurte heisst auf kirgisisch „bos uj“, graues Haus. Den heiligen Hausberg Sulajman Too bestaunen wir von unten - bei den hohen Temperaturen wollen wir uns nicht die Stufen hochschleppen - unsere Scheizer Freunde allerdings schaffen es und wir können uns anhand ihrer Fotos ein Bild davon machen , dass wir den Blick auf die im Dunst gelegene Stadt verpasst haben. und abends Restasurantbesuch zum dritten und letzten mal - heute nur noch handgeschriebene Menukarte, wir trinken auch nur noch ein Conjäckchen zum Dessert, denn morgen wollen wir alle weiterziehen: die Rotels nach Bischkek, die Schweizer nach Tadschikistan, wir nach Üzgen.
9..8. Doch zunächst lassen wir uns in einer kleinen Reifenwerkstatt unsere abgefahrenen Reifen wechseln, nicht ohne viel Zuschauer und dem üblichen Smalltalk, während die Sonne heiß brettert. Eine Stunde wird gearbeitet und wir müssen nur 200c zahlen (2.20€), da kommen wir mal wieder!
Üzgen ist eine geschichtsträchtige und angeblich interessanteste orientalische Stadt Kirgistans - davon wollen wir uns überzeugen. Wir besichtigen das Museumsgelände mit den Bauwerken aus dem 11./12. Jh. hier steht das einzige erhaltenen Minarett Kirgistans , 30m hoch, man kann es besteigen , die Mausoleen sind eingerüstet , auffallend die vielen Verbotsschilder. Wir werden von einer jungen kirgisischen Frau in ein längeres Gespräch verwickelt, zwei dunkelhäutige Mädchen bedrängen uns mit ihren Betteleien, deuten an , dass sie uns segnen wollen. Wir verstehen nichts - die Kirgisin erklärt uns, dass diese Kinder zu den Lölös gehören, „die Väter liegen arbeitslos zu hause herum und schicken die Kinder zum Betteln auf die Strasse.“
Mir sagt die Natur mehr zu und die Fahrt durch goldene Hügellandschaft ist herrlich, der Fahrtwind bringt einn wenig Abkühlung, überall Stroh- und Heufahrzeuge oder noch die Haufen auf den Feldern und dann nehmen wir laut iOverlander app den Stellplatz
„Get wet between the fields N40°58´2.52“ E72°48,8`.22“ - und teilen ihn mit Pferden , Putenschar, vorbeiziehenden Kühen und Schafen, spät abends kommt noch ein Toyata-offroader. Dieser Platz ist nur für geländegängige Fahrzeuge geeignet, der zum Teil verlandete See spricht uns nicht zum Schwimmen an.
10.8. Wir befinden uns in der Region mit dem größten usbekischen Bevölkerungsanteil - hier gab es in den letzten Jahren Abspaltungsbewegungen und deren Niederschlagung. Ein Denkmal für die Opfer sehen wir an der Strasse. Von den Kirgisen wird behauptet, dass sie einträchtig miteinander und nebeneinander leben. Das Bild der Orte durch die wir fahren ist geprägt von geschäftigem, typisch orientlischem Treiben, Basarstimmung. Wir kaufen Obst und leckere Fleischspiesse ( Putenfleisch!).
Und dann finden wir ihn, unseren genialen Schwimm-und Badeplatz am gestauten Narynfluss. Mr. John, mit Schlauchboot und Trillerpfeife,Journalist, will uns eindringlich, da hier gefährlich,es gab einen Toten, davonabhalten und uns zum naheliegenden öffentlichen Strand schicken, mit lautem Stromgenerator - nein, danke, wir haben keine Angst. Abends ganz alleine, tagsüber teilen wir ihn mit zwei jungen Männern und einer Großfamilie. Die sehr alt aussehende Großmutter wird von den jungen Männern bespasst, großzügig teilen sie mit ihr den Sonnenschutz und die Vodkaflaschen ( wir lehnen mühsam alles ab) , das Ganze endet mit schönem Gesang der Alten, dem ohnächtigen Schlaf eines Mannes , den immer kühneren Bootsfahrten auf einer Styropormatte des Vaters mit wechselnden Kindern als Fahrgäste - alle ohne jegliche Schwimmkenntnisse. Ich sehe mich schon sie rausziehen, aber irgendwie geht alles gut und wir sind froh, als wir alleine dann die Abendruhe geniessen können und als Krönung eine riesige Sternschnuppe herniedersaust - Wünsche hatten wir schon parat, es soll ja am Wochenende ein Sternschnuppenregen zu beobachten sein. Ort: Zwischen Tashkumyr und Razan-Say „Camping bivouac“ .
11.August
An diesem Sternschnuppensamstag bleiben wir noch, das Morgenbad geniessen wir alleine und ab mittags haben wir mal wieder schweizer Gesellschaft, zuerst kommen Esther und Thomas mit ihrem blauen MAN - man kennt sie, nicht nur aus der Allrader Zeitschrift , und gegen Abend dann noch Marvin und Tatjana mit einem super knuffigen Subaru MInibus, die Mitglieder der Mongolei-Ralley sind. Da gibt es viel zu erzählen und zur Krönung des Tages schauen wir gemeinsam Sterschnuppen-so viele. Da schicke ich Geburtstagswünsche zu Simon in die Schweiz.
12.August 112 km
Nachdem Thomas noch die Wasserpumpe repariert - danke, danke, so toll, wieder fliessend Wasser, Landkarten gedreht und gefaltet werden, Mobile von innen besichtigt, fällt der Abschied schwer, aber die Ralley hat einen straffen Zeitplan. Auch wir brechen auf, immer am Narynflußmit seiner wunderschönen türkisen Farbe, entlang gen Norden. Die Strasse ist perfekt, dennoch fahren wir langsam, geniessen die Serpentinen - andere taten dieses nicht und so sehen wir auch Unfallwagen und einen ganz schlimmen LKW-Unfall, meine Nerven sind leicht angekrazt von den wild überholenden Farhrern, die uns auf unserer Seite entgegenkommen. Wir halten oft um die Landschaft zu geniessen, und dann es soll es über dem Stausee laut iOverlander, einen View-Point geben, 200m von der Strasse entfernt, da könnte man vielleicht zur Nacht stehen, zum Glück gibt es neben der Strasse einen „Parkplatz“ , von dort aus erkunden wir erst einmal zu Fuß, wie weit man rein fahren kann. Doch so hatten wir uns den Abend nicht vorgestellt. Als wir zum Zebra zurückkommen, macht es keinen Mucks mehr. Batterie geprüft, die ist in Ordnung - jetzt also alles logische Denken aufbringen, handelt sich ja eigentlich nur um Stromkreise. Dann doch lieber Kellers in D kontaktiert, die auch mal wieder prompt antworten - jetzt heißt es suchen, schrauben, reinigen, Oxidierungen abfeilen - und dann sind wir so erschöpft, dass wir nicht mehr die Kraft haben Verbindungsstecker zu öffnen - wir entschliessen uns morgen weiter zu machen, stehen ja ganz gut, wenn auch mit Strassenlärm, aber schlafen dennoch gut.
13.August 62 km
Während Deutschland tief schläft, haben wir gefrühstückt und gehen frisch ans Werk - eigentlich könnte doch mal jemand halten und helfen, aber alle scheinen es eilig zu haben und hupen höchstens zur Begrüßung. Auf einmal rappelt Uli an den Batteriekontakten und meint, ich glaub, ich hab es, hier ist was lose. In dem Moment hält auch ein PKW und jemand fragt auf englisch, ob wir Hilfe brauchen. Und so geht es dann ganz schnell. Der junge Mann meint auch sofort, dass genau da das Übel liegt und in wenigen Minuten sind die Kontakte neu verbunden und die Polklemmen angezogen, dann das erlösende Motoranspringgeräusch. Da gläubiger Muslim, lehnt der nette Typ das Bier ab, dafür kann ich ihn aber mit einem Riesenglas Nutella für seine fünf Kinder beglücken. Auch wir sind oberglücklich, Uli schraubt in Ruhe alles wieder zusammen und wir gehen auch nochmals zum Aussichtspunkt - wäre wirklich ein schöner Nachtplatz gewesen. Doch uns zieht es wieder ans Wasser. Nachdem wir in Toktogul eingekauft haben (ein gebratenes Hähnchen,mmmh), durch die vollen Strassen mit Basar uns durchgewühlt haben, beginnt eine abenteuerliche ca 7km lange Piste an den Stausee, viele Badestellen scheint es nicht zu geben, hier herrscht ein reger Verkehr. Um so mehr wundern wir uns, dass wir eine kleine Bucht für uns alleine haben - traumhaft. Das Wasser ist herrlich warm zum Schwimmen , 25°. Das Hähnchen, mit braunem Reise aus der Region, schmeckt lecker und zum Abend gibt es einen zauberhaften Sonnenuntergang, eine scharfe helle Mondsichel und dann doch tatsächlich noch ein paar Sternschnuppen - glücklich! Die Mücken halten wir mit Räucherspiralen ab und ein paar Fledermäuse kommen auch zu Hilfe.
14.August 48km
südlich vom Ala-Bel-Pass am Fluß, 1900m hoch
Sehr weit kommen wir heute nicht, denn erst einmal Computerarbeit, dann Schwimmen, wir erkunden auch noch zu Fuß die nächsten Kurven und entdecken die „Badeanstalt“ mit Betten-und Bootsverleih und unendlich viel Müll - wir sind froh, dass wir unsere Bucht für uns alleine hatten. Mittags tauchen zwei Wagen voller Menschen auf. Wir packen ein, fahren nochmals nach Toktogul rein, denn uns interessiert das Basarviertel. Ausserdem tanken wir noch reichlich Wasser an der öffentlichen Trinkstelle auf - jetzt haben wir stetes einen leichten Chlorgeruch im Zebra. Beim Supermarkt decken wir uns noch einmal mit Bier und dem besonderen braunen Reis ein. Als wir zurückkommen, hat sich ums Zebra eine Gruppe junger Männer versammelt, Uli soll mal unters Auto schauen - oh, tatsächlich, eine Blattfeder ist gebrochen. Die nächste Autowerkstatt ist nur zwei Häuser weiter und nach einer Stunde fahren wir mit geschweisster Blattfeder weiter. Bald geht es bergan auf den Ala-Bel-Pass zu, eine herrliche schmale Schluchtenlandschaft, die Strasse führt an einem Fluß entlang und der Strassenrand ist alle paar hundert Meter von Honigständen und Menschengruppen bevölkert, die versuchen Himbeeren zu verkaufen. Da kann ich nicht widerstehen, diese Waldhimbeeren sind sehr lecker und leere Marmeladengläser habe ich auch. Aber dann kaufe ich doch zu viele Beeren und die Gläser reichen nicht - jetzt schwelgen wir in Himbeermarmelade, leckerst! Die Suche nach einem Platz am Fluß ist gar nicht so einfach, denn jeder freie Flecken ist von kleinen Zeltlagern bevölkert, ganze Familienstämme scheinen hier die „Beerenzeit“ zu verbringen, ein lustiges Bild. Wir sind mit unserem Platz auch ganz zufrieden, am anderen Ufer steht eine sehr traditionelle graue Filzjurte, Kälbchen, Hühner - leider auf der Strassenseite auch Hochspannung und im Bett liegend habe ich ein Sirren in den Ohren.
15. August Talas/ Ozgorush 167km
Früher Feierabend, nach zwei Pässen ist mir mal wieder etwas „übel“. Die Landschaft bis zum Ala-Bel-Pass ist bezaubernd, immer wieder viele Pferde um ein paar Jurten herum. Vom hohen Zebra aus kann ich manch neugierigen Blick auf und in die Jurten werfen, welch eine Geschäftigkeit am Morgen. Die Milchtanklaster kommen vorbei und sammeln Stutenmilch und Kuhmilch ein. Wir biegen nach Westen von der M41 auf die A 361 ab, nicht ohne vorher das große Standbild des Manas zu würdigen- Mamas ist der kirgisische Volksheld, im 9.Jh konnte er die verschiedenen Stämme sammeln und die Figuren bekämpfen und so die kirgisische Nation gründen - wir sparen uns so 40Dollar Tunnelmaut und schlecht ist die Strasse auch nicht. Aber nochmals ein steiler Pass, der Ömök Pass mit 3330m. Die Landschaft wird karger und dann folgen viele kleine Ortschaften, wir kommen nur langsam voran. Ich denke besonders an den Schriftsteller Tschingis Aitmatov, der hier im Talas Oblast, 1928 im Dorf Scheker geboren wurde - und kann mir Dschamila vorstellen, irgendwo hier lebt sie immer noch. Wir werden abseits desr Strasse von einem Feldarbeiter begrüßt, der kaum von unserer Seite weichen will, aber jetzt weiss ich, dass hier überall Bohnen wachsen. Unsere letzte Nacht in Kirgistan.
Hoffentlich nimmt uns Kirgistan nicht übel, dass wir nur so kurz zu Besuch waren, aber vor zwei Jahren waren wir um so länger. Und: ja, uns gefällt Kirgistan besonders von diesen zentralasiatischen Ländern, weil es eine sehr abwechslungsreiche und wunderschöne Landschaft hat, das sommerliche Treiben ist besonders anzuschauen, die ausgelasssenen Kinder, die großen Tierherden, Bademöglichkeiten, so viel Natur - und das ist dann auch mein Tipp: für Kulturfreunde Usbekistan, für Gebirgsfreunde Tadschkistan und für Naturfreunde Kirgistan - und danke für die guten Strassen! …. mal sehen, was ich dann zu Kasachstan sage, das wir ja auch schon zu weiten Teilen kennen.
Unsere Reisen nach Marokko, Iran, Oman, VAE, Türkei, Russland, Mongolei , Irland, Albanien kann man auf unserer alten homepage www.wirsindunterwegs.de nachlesen und anschauen